Schiffsbeladeanlage für Harnstoffdüngemittel Brownfield-Projekt: die digitale Transformation einer Harnstoffdüngemittelanlage in unter zwei Monaten

Von Sabine Mühlenkamp

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In der malaysischen Küstenstadt Bintulu (Sarawak) auf der Insel Borneo betreibt Asean Bintulu Fertilizer (ABF) seit den 80er-Jahren einen Produktionsstandort für Urea. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, wurde die Beumer Group mit der Modernisierung und Leistungssteigerung der bestehenden Anlage zwischen Längslager und Schiffsbeladeanlage beauftragt. Der Zeitplan war straff getaktet.

Der Schiffsverlader bei Nacht arbeitet 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche.
Der Schiffsverlader bei Nacht arbeitet 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche.
(Bild: Beumer Group)

Harnstoff – auch Urea genannt – ist aktuell der weltweit dominierende Stickstoffdünger in der Agrarindustrie. Das liegt vor allem an den vergleichsweise geringen Kosten. Durch die wachsende Weltbevölkerung nimmt die Nachfrage kontinuierlich zu. Eine der größten Produktionsanlagen in Asien steht seit Jahren in der Küstenstadt Bintulu auf der malaysischen Insel Borneo. Betreiber ist Asean Bintulu Fertilizer, ein Tochterunternehmen der Petronas Chemicals Group Berhard (PCG).

PCG gehört zu den größten Herstellern von Chemieprodukten in Südostasien und ist führend in Malaysia. Zur Gruppe gehören 25 Firmen, die eine breite Palette chemischer Produkte anbieten, u.a. Olefine, Polymere, Methanol und eben Düngemittel, die beispielsweise auf Harnstoff basieren. Abnehmer sind Kunden in rund 30 Ländern. Zu den wichtigsten Märkten zählen neben Malaysia auch China, Indien, Thailand, Indonesien, Japan, Südkorea, Taiwan, die Philippinen, Vietnam, Singapur sowie Australien und Neuseeland.

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Um dem steigenden Bedarf an Urea nachzukommen, musste Asean Bintulu die Leistung seiner Exportanlage steigern. Dafür beauftragte der Hersteller als Generalunternehmer die Beumer Group im Konsortium mit der PBJV Group aus Malaysia, die die Montage der Anlage übernahm. Der malaysische Dienstleister übernimmt u.a. den Transport und die Installation von Onshore- und Offshore-Pipelines. Zudem rüstet das Unternehmen Schiffe in der Öl- und Gasindustrie für ihre jeweiligen Einsätze entsprechend aus.

Neue Wege bei der Überwachung von Gurtförderanlagen

Mit Kameras bestückt gehören ferngesteuerte Drohnen mittlerweile bei Planung, Durchführung und Dokumentation von Baumaßnahmen, z.B. von kilometerlangen Gurtförderanlagen, längst zum Alltag. Dies berichten die Beumer-Experten Eugen Doberstein und Lukas Paul im Interview.

? Herr Doberstein, welche Bedeutung haben die Fluggeräte in Ihrem Arbeitsalltag?

Eugen Doberstein: Wir beschäftigen uns seit rund drei Jahren mit der Drohnentechnik. In der Industrie gehören die Drohnen mittlerweile zum Standard – ob es um die Vermessung von Baustellen oder um Betrieb und Wartung von Anlagen geht. Ein wesentlicher Grund für den vermehrten Einsatz ist die Erhöhung der Arbeitssicherheit – es sind dadurch weniger (oder sogar keine) Personen auf der Baustelle, die möglichen Gefahren ausgesetzt wären. Grundsätzlich nimmt die Bedeutung dieser Fluggeräte bei vielen Unternehmen in ganz verschiedenen Branchen kontinuierlich zu. Wir nutzen sie insbesondere im Anlagenbau.

? Herr Lukas, welche Aufgaben können Sie mit den unbemannten Fluggeräten lösen?

Lukas Paul: Beauftragen uns Kunden z.B. damit, einen Gurtförderer zu liefern und zu installieren, müssen wir ihnen im Vorfeld ein konkretes Angebot machen. Ein effektiver Weg sind Luftaufnahmen, die von einer entsprechenden Software ausgewertet werden. Damit sind Drohnen für uns zu einem wichtigen Instrument geworden. Wir haben beispielsweise einen Gurtförderer in Indonesien geplant und geliefert, der Klinker vom Steinbruch ins Zementwerk transportiert. Die Trasse führte mitten durch den Regenwald und war topografisch sehr anspruchsvoll. Wir konnten mithilfe der Drohne unterschiedliche Routenverläufe erarbeiten und gegenüberstellen. Insbesondere der sehr lange Korridor, also die Linie, auf der der Förderer später verlaufen soll, erfordert eine komplexe Planung. Mit den Drohnen können wir den Streckenverlauf der Anlage optimal an die Gegebenheiten anpassen. Würden diese Hindernisse erst zu einem späteren Zeitpunkt auf der Strecke erkannt werden, wäre der Bau eines Förderers deutlich komplexer. Je nach Größe des Projekts überwachen wir in einer späteren Phase mithilfe der Drohnen dann auch den kompletten Baufortschritt – ob in schwer zugänglichen Gebieten oder auf einfacher erschließbaren Baustellen.

? Wie profitieren Ihre Kunden konkret davon, dass Ihr Team Drohnen einsetzt?

Lukas Paul: Sie sparen erheblich Zeit und damit auch Kosten. Ist sich der Kunde noch nicht sicher, ob er das Projekt auch wirklich in Angriff nehmen möchte, liefern wir ihm zum Zeitpunkt der Projektvorplanungsphase mithilfe von Drohnen-Aufnahmen und unseren weiteren Berechnungen sehr schnell und günstig exakte Daten. Auf deren Grundlage kann der Kunde seine Entscheidung fällen: Lohnt sich das Projekt oder nicht? Aber auch wir profitieren u.a. von deutlich weniger Aufwand und damit Manpower, und das spiegelt sich ebenfalls in den Kosten wider. Drohnen sind eine ausgezeichnete Lösung, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen.

Stimmige Technik und Zeitplan

„Bei diesem Auftrag handelte es sich um ein Brownfield-Projekt“, erklärt Heinrich Beintmann, Senior Project Manager bei der Beumer Group. „Das bedeutete: Wir mussten unsere neuen Anlagen sicher in die bestehenden Anlagen integrieren, um einen reibungslosen Materialfluss vom Längslager bis zum Schiff zu ermöglichen“, führt er aus. Dazu kam: Die bereits vorhandenen Komponenten von Fremdanbietern sollten durch Software- und Hardware-Updates an die gesteigerten Leistungsanforderungen angepasst werden. „Durch diese Modernisierung lässt sich die Gesamtanlage auch einfacher warten, weil alle Komponenten auf einem einheitlichen technischen Stand sind“, beschreibt Beintmann.

Gemeinsam mit der PBJV Group erarbeitete die Beumer Group eine passende technische Lösung und präsentierte ABF diese zusammen mit einem stimmigen Zeitplan, der zu den vorgegebenen Meilensteinen passte. Die gute Performance in der Angebotsphase überzeugte Asean Bintulu Fertilizer.

ABF betreibt den Produktionsstandort rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche. „Um den Betriebsablauf nicht zu lange zu unterbrechen, hatten wir für die komplette Integration lediglich 55 Tage Zeit. Das war eine echte Herausforderung“, beschreibt Beintmann. „Die Beumer Group übernahm das Projektmanagement und Engineering, lieferte alle Anlagen und führte die Montageüberwachung und Inbetriebnahme durch.“

Zum Lieferumfang gehörte neben einem Portalkratzer für 600 Tonnen/Stunde und dem Schiffsbelader für 1000 Tonnen/Stunde auch ein vollautomatischer Bandschleifenwagen, der das Längslager befüllt, ein Mimic Panel für die komfortable Überwachung und Steuerung der Anlage, die Anpassung der Motorkontrolleinheiten, eine Umspannstation, eine Transferstation mit einer Leistung von 1000 Tonnen/Stunde sowie eine Siebstation – die das kritische Element im Zeitplan war.

Der Systemanbieter installierte dafür eine Lösung mit einer Leistung von 2 x 500 Tonnen pro Stunde. „Wir mussten die bestehende Siebstation bis auf die Hauptstützen des Gebäudes demontieren und komplett mit neuer Technik ausrüsten“, erläutert Beintmann. Die Transferstation dient der Aufteilung des Materialstroms in Richtung Schiffsbeladung und Lkw-Beladung. Dies ermöglicht dem Kunden, Schiffe oder Lkw zu beladen sowie auch beides gleichzeitig.

Weniger zeitkritisch war dagegen die Montage des Portalkratzers und des Schiffsbeladers, weil das Team mit seinen Arbeiten bereits vor dem 55-tägigen Shutdown beginnen konnte – also bevor die Produktionsanlagen außer Betrieb genommen wurden. Allerdings war die Montage des Portalkratzers im Längslager auf andere Art und Weise kritisch. „Aufgrund der geringen Deckenhöhe konnten wir nicht wie üblich den Kratzer auf dem Boden liegend installieren und anschließend aufrichten“, sagt der Beumer-Experte. Der Systemlieferant musste eine andere Lösung finden: „Wir mussten Segment für Segment zusammenbauen. Das war mühsam und zeitaufwändig.“ Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wurden in enger Zusammenarbeit zwischen Beumer und PBJV für jedes Arbeitspaket In­stallationspläne und Verfahren unter Berücksichtigung der hohen Sicherheitsbestimmungen aller Parteien entwickelt.

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An die Leistung angepasst

Der Portalkratzer überspannt das Längslager mit dem Harnstoffdünger, trägt das Schüttgut schichtweise von der Seitenböschung ab und führt es mit einer Leistung von 600 Tonnen durch einen Vorbrecher auf einen Gurtförderer. Der Portalkratzer läuft dabei vollautomatisch. Ein vorhandener Seitenkratzer liefert aus einem zweiten Längslager weitere 400 Tonnen pro Stunde in die Anlage.

„Die vorhandenen Bandsysteme waren nicht auf die höhere Leistung unseres neuen Portalkratzers ausgelegt“, sagt Otto Schmelzer, Engineering Manager bei Beumer Group. „Wir mussten die bestehenden Antriebsstationen entsprechend modernisieren.“ Kein Problem für den Systemanbieter: Weil alle Anlagen, die bei den Anwendern im Einsatz sind, aufeinander abgestimmt sein müssen, entwickelt die Beumer Group nicht nur ihre eigenen Produkte weiter.

Der Customer Support der Beumer Group kümmert sich auch um mechanische und steuerungstechnische Umbauten von Fremdfabrikaten. „Unser Umbaukonzept hat bereits eine hohe Kundenzufriedenheit erzielt, denn bestehende Strukturen bleiben soweit wie möglich erhalten“, beschreibt Otto Schmelzer.

Unternehmen können somit ihre Kosten reduzieren, weil sie nur Geld für wenige Komponenten in die Hand nehmen müssen. Sie erhalten damit einen schnellen Return on Investment. Dazu kommen kürzere Montage- und Übergabezeiten, was bei diesem Projekt besonders wichtig war.

Gurtförderer transportieren das Urea über die Sieb- und Transferstation zum neuen Schiffsbelader, den ebenfalls die Beumer Group geliefert hat. Dieser auf Schienen verfahrbare und schwenkbare Schiffsbelader ist mit einer teleskopierbaren Schurre und einem Schleudergurtförderer ausgestattet, um die Beladung so effektiv und flexibel wie möglich zu gestalten. „Mit dieser Anlage kann unser Kunde nun Schiffe mit 1000 Tonnen pro Stunde beladen“, sagt Beintmann.

Gelungene Zusammenarbeit

Petronas und Asean Bintulu Fertilizer sind mit den Lösungen, dem Verlauf und der Arbeit des Konsortiums aus Beumer und PBJV sehr zufrieden.

„Unser Part passt damit perfekt zu den Meilensteinen des gesamten Projekts“, sagt Beumer-Experte Beintmann zufrieden. „Und die Zusammenarbeit mit der PBJV Group lief sehr vorbildlich.“

Die Inbetriebnahme des Schiffsbeladers dauerte weniger als drei Wochen, die Gesamtanlage war nach acht Wochen vollständig in Betrieb genommen und konnte dem Betreiber übergeben werden.

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