Arbeiten im und am Silo Wenn es im Silo stockt, holt man nicht den Hammer, sondern Spezialisten
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Es ist eng. Die Sicht durch Dunkelheit und Schutzausrüstung eingeschränkt. Und der Weg nach draußen führt an einem Seil durch eine Luke im Dach. Arbeiten im und am Silo bergen viele Risiken, die leicht unterschätzt werden. Für einen sicheren und reibungslosen Ablauf von Reinungs- und Instandhaltungsarbeiten sind Profis gefragt.

Die Epoxidharzbeschichtung im Pharma-Silo hat ausgedient und muss abgetragen werden. Möglichst schonend, damit die Aluminiumwand nicht beschädigt wird. Anschließend soll das Innere des Silos wieder neu beschichtet werden. Aufgabenstellungen wie diese landen auf dem Schreibtisch von Matthias Natusch. Zusammen mit seinem Kompagnon Rico Thiedemann hat er sich 2010 auf die sichere Reinigung und Wartung von Silos und Tankanlagen spezialisiert. Heute blickt Natusch & Thiedemann Siloreinigung auf zehn unfallfreie Jahre zurück. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Noch immer werden die Gefahren im Umgang mit Silos unterschätzt. Mit teilweise dramatischen Folgen: 2019 erfasste die Meldestatistik 132 tödlich verunglückte Personen. „In unserer täglichen Praxis sind wir immer wieder mit potentiell gefährlichen Situationen konfrontiert. Diese Erfahrungen nutzen wir, um unser Sicherheits- und Trainingskonzept immer weiter zu verbessern“, betont Natusch.
Für die aktuelle Anfrage müssen Natusch und sein Team zunächst eine Arbeitsprobe durchführen. Nur so kann der erfahrene Industriekletterer den Einsatz sicher planen und realistisch kalkulieren. Im Zuge der Arbeitsprobe testet das Einsatzteam verschiedene Strahlgüter auf deren Eignung. Das Mittel muss die Beschichtung effizient abtragen, ohne dabei die Aluminiumwand des Silos zu beschädigen. Gleichzeitig müssen chemisch kristalline Aussalzungen und Reaktionen ausgeschlossen werden. Mithilfe weiterer Tests legen die Spezialisten auch den Strahldruck und die Durchflussmenge fest – wichtige Daten für die Ermittlung der Flächenleistung.
Diese Daten können nicht am Schreibtisch erhoben werden. Das geht nur vor Ort. Dazu seilen sich Natusch und seine Mitarbeiter ins Silo ab. Für den Auftraggeber hat das einige Vorteile. Eine aufwendige Rüstung oder ähnliche Einbauten entfallen. Und dank der Seiltechnik können die Einsatzkräfte jeden Winkel im Silo erreichen. Doch das Arbeiten mit dem Sandstrahler am Seil birgt auch eine Reihe von Gefährdungen.
Sicherheit wird nicht dem Zufall überlassen
Bevor es also losgehen kann, wird eine umfangreiche Sicherheitsdokumentation erstellt. Diese umfasst auch eine CSE Risiko Analyse einschließlich einer detaillierten Rettungsplanung. Dabei müssen Natusch und der Auftraggeber viele verschiedene Aspekte berücksichtigen: Welches Produkt wird im Silo gelagert? Welche Persönliche Schutzausrüstung ist erforderlich? Was für ein Silo muss gereinigt und gewartet werden? Welche Zugangsmöglichkeiten und Rettungsapplikationen sind vorhanden? Werden die Arbeiten in einem explosionsgefährdeten Bereich durchgeführt? Selbst Witterungsbedingungen wie Wind und Kälte müssen vorher bedacht werden. Auf Basis dieser ausführlichen Sicherheitsbetrachtung werden alle Einsatzkräfte in einem Tool Box Talk gebrieft. Ziel ist es, Fehlerquellen auszuschließen und Gefahren durch Redundanzen auf ein absolutes Minimumm zu reduzieren.
Ein Beispiel: Allgegenwärtige Gefahr im Silo ist das Ersticken. Hier schützt der Einsatz redundanter Systeme die Mitarbeiter. Sollte also die eingesetzte Belüftung über externe Atemluftzufuhr ausfallen, trägt jeder im Silo eine kleine Pressluftflasche mit sich. Diese versorgt im Notfall den Betroffenen bis zu 40 Minuten mit Atemluft. Das schafft größtmögliche Sicherheit und der Mitarbeiter hat den Kopf frei für seinen Auftrag.
Einen solchen Notfall hat es bei Natusch & Thiedemann Siloreinigung zum Glück noch nicht gegeben. Doch für den Fall der Fälle wollen Natusch und seine Mitarbeiter vorbereitet sein. Jeden zweiten bis dritten Einsatz führen sie deshalb eine exemplarische Rettung durch. Der Anspruch an eine Rettung ist kompromisslos hoch: „Wir können unseren Mann in weniger als einer Minute rausholen – egal was ist“, macht Natusch deutlich. Dafür nimmt er auch gerne den erhöhten Aufwand während des Einsatzes in Kauf.
Spezialisierte Teams für bestimmte Einsätze
Von Chemikalien und Kunststoffen über Nahrungsmittelrohstoffe bis hin zu Zement – Nausch und seine Kollegen reinigen und warten jährlich rund 500 Siloanlagen. Dabei hat jeder Einsatz spezielle Anforderungen. „Deshalb setzen wir nur Teamleiter ein, die entsprechend qualifiziert sind“, erklärt Natusch. „Wir verfügen über staatlich geprüfte Lebensmitteltechniker, staatlich geprüfte Desinfektoren ebenso wie über Schweißtechniker.“ Diese Spezialisten sprechen die gleiche Sprache wie die Verantwortlichen aus der QS- oder Instandhaltungsabteilung der jeweiligen Betreiber. Dies ist ein weiterer Garant für eine reibungslose und regelkonforme Durchführung. Die Einsatzkräfte protokollieren und bescheinigen zudem alle Arbeiten gewissenhaft. Dieses Reinigungszertifikat kann das Unternehmen dann bei Ausschreibungen nutzen, um seine hohen Qualitätsstandards zu belegen.
Wie wichtig eine umfassende Qualifikation ist, wird am Beispiel der Nahrungs- oder Futtermittelindustrie besonders deutlich: In dieser stark regulierten Branche müssen eine Vielzahl von Vorschriften und Verordnungen beachtet werden. Da bildet die Siloreinigung und -entstörung keine Ausnahme. Werden Natusch und seine Mitarbeiter beispielsweise für eine Schädlingsbekämpfung im Mehlsilo gerufen, fließt in die Einsatzplanung eine Menge Know-how. Ausgangspunkt ist eine umfangreiche Befallsermittlung. „Diese führen wir im Zuge der Siloreinigung oder Vorortbegehung aus“, erklärt Natusch. Zur Reinigung saugen die erfahrenen Fachkräfte das Silo aus. Entscheidend für die Sicherheit: Es dürfen nur sicherheitsgeprüfte Vakuumsauggeräte verwendet werden. Bei der Dekontamination gelten ebenfalls strikte Vorschriften. Das Pflanzenschutzgesetz schreibt vor, dass Betreiber nur noch Mittel verwenden dürfen, die den Wirkstoff Pyrethrum enthalten. Mittel mit anderen Wirkstoffen zur Insektizid-Behandlung sind nicht mehr zulässig. Wer nicht über die notwendige Expertise und Ausstattung verfügt, ist gut beraten sich an entsprechend zertifizierte Dienstleister zu wenden.
Sicherheit ist Chefsache: Einsätze wie die Entschichtung eines Silos mithilfe von Sandstrahltechnik sind mit einem mittleren Risiko verbunden und werden von Natusch selbst geleitet. Die geleistete Arbeitsprobe lief zur Zufriedenheit aller und führte schließlich zum Auftrag, der Anfang 2021 ausgeführt werden soll – reibungslos, unfallfrei und fachgerecht.
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